Discuss it ist einer von geschätzt 100'000 Vereinen in der Schweiz. Wie knapp die Hälfte aller Schweizer Einwohner_innen engagieren sich auch bei Discuss it rund 40 Vereinsmitglieder aktiv und unentgeltlich für die politische Bildung junger Menschen. Warum sich so viele Menschen ohne monetäre Gegenleistung freiwillig engagieren, wie sie trotzdem von ihrem Engagement profitieren können und welche Auswirkungen das auf die Gesellschaft hat, erklären wir in diesem Artikel.
Etwa 700 Millionen Stunden freiwilliges Engagement werden in der Schweiz jedes Jahr geleistet (Stand 2014) – das entspricht etwa neun Prozent der bezahlten Arbeitsstunden, die in der Schweiz jährlich absolviert werden. Würde man diesen freiwillig engagierten Menschen normale Löhne zahlen müssen, so würde das rund 35 Milliarden Franken kosten, was ungefähr 5.5 Prozent des Schweizer BIPs entsprechen würde. Die Freiwilligkeit ist also essentiell für das Bestehen unserer Gesellschaft und die Schweiz könnte ohne das unentgeltliche Engagement der Bürger_innen in ihrer Nachbarschaft oder in Vereinen wie Discuss it nicht bestehen. Doch wer engagiert sich überhaupt, aus welchen Gründen sind die Menschen freiwillig tätig und was hat das für Auswirkungen auf die Gesellschaft? Wir haben (unter anderem bei unseren Mitgliedern) nachgeforscht.
Wer sich engagiert
Zur Freiwilligkeit gehören alle unbezahlten Tätigkeiten, bei denen Menschen Zeit oder Geld aufwenden, um anderen Personen oder Gruppen zu helfen. Eine Spende an einen Umweltverein zählt also genauso zu freiwilligem Engagement wie das Einkaufen für die alten Nachbarn, das Trainieren eines Nachwuchs-Fussballclubs oder das Organisieren von politischen Podien bei Discuss it. Die Freiwilligkeit muss dabei nicht unbedingt im Rahmen von Vereinen geschehen, Vereine machen aber einen wichtigen Bestandteil davon aus. Schätzungen zufolge gibt es in der Schweiz rund 100'000 Vereine und knapp die Hälfte der Menschen in der Schweiz gibt an, aktiv in einem Verein tätig zu sein. Während der Anteil aktiver Vereinsmitglieder in den letzten 20 Jahren ziemlich stabil geblieben, dennoch leicht rückläufig ist (1999: 53 Prozent, 2018: 46 Prozent), sind die Vereinsmitgliedschaften insgesamt stark zurückgegangen. 1976 gaben 96 Prozent der Menschen in der Schweiz an, Mitglied in mindestens einem Verein zu sein, 2011 waren es noch lediglich 72 Prozent.
Studien haben herausgefunden, dass sich in der Schweiz vor allem Männer in Vereinen engagieren, während die Frauen lieber informell in der Nachbarschaft tätig sind. Das typische Vereinsmitglied ist nicht nur männlich sondern auch jung oder mittleren Alters, gut gebildet, besitzt die Schweizer Staatsbürgerschaft, wohnt schon lange am selben Ort und ist politisch interessiert. Ein Beispiel für ein solches, typisches Vereinsmitglied ist Reto (26), der praktisch seit dem Beginn bei Discuss it dabei ist und seit 2017 auch zum Vorstand gehört. Er hat an der Universität Zürich Politikwissenschaften studiert und arbeitet dort jetzt als Doktorand. Discuss it beherbergt aber nicht nur die typischen Vereinsmitglieder, sondern ist mit seinen 43 aktiven Mitgliedern, von denen 25 weiblich sind, sehr breit aufgestellt. Jede und jeder, der oder die Lust hat, sich zu engagieren, findet hier die Gelegenheit dazu. So beispielsweise auch Ann-Kathrin (23), Studentin der Philosophie und Biologie, die in diesem Winter ihren Bachelor abschliesst. Sie schreibt für den Blog und ist seit ihrer Aufnahme in den Verein im Juni 2020 eines der neuesten Discuss it-Mitglieder.
Warum man sich engagiert
Um sich freiwillig zu engagieren, gibt es eine Vielzahl an Gründen. Die Wissenschaft unterscheidet hier mittlerweile zwischen sechs verschiedenen Kategorien von Motiven, wobei die meisten Menschen durch ihre Werte motiviert werden. So ist der Hauptgrund für Freiwilligkeit nach wie vor, mit anderen etwas zu bewegen und anderen Menschen zu helfen. Allerdings beeinflussen auch selbstbezogene Motive die Entscheidung, sich freiwillig zu engagieren. Beispielsweise erhoffen sich Freiwillige, Erfahrungen sammeln zu können, sich persönlich weiterzuentwickeln, das eigene Netzwerk zu pflegen, einen Nutzen für die berufliche Laufbahn zu ziehen oder eigene Probleme selbst in die Hand nehmen zu können (für mehr Infos zur Freiwilligkeit, siehe auch den Freiwilligenmonitor).
Ann-Kathrin, eines der neusten Discuss it-Mitglieder, wurde hauptsächlich durch ihre Werte motiviert, sich zu engagieren. «Ich bin Discuss it beigetreten, weil ich mich zu 100 Prozent mit dem Anliegen und den Zielen des Vereins identifizieren kann. Die politische Bildung von Jugendlichen ist enorm wichtig, weil unsere direkte Demokratie von der Mitbestimmung aller lebt», findet sie. Gleichzeitig erhofft sie sich aber auch, im Verein wertvolle Kontakte zu knüpfen und Menschen kennenzulernen, die sich für dasselbe Anliegen einsetzen wie sie. Auch bei Reto standen die Werte im Vordergrund beim Entschluss, Mitglied von Discuss it zu werden: «Im Studium wurde mir bewusst, wie wenig junge Leute in der Schweiz abstimmen und wählen gehen. Dies stand für mich im starken Gegensatz zu den demokratischen Möglichkeiten in der Schweiz. Deswegen wollte ich mich engagieren und mit Discuss it junge Menschen für Politik begeistern.»
Was das freiwillige Engagement bringt
Auch wenn Freiwillige für ihr Engagement keine finanzielle Entschädigung erhalten, so können sie doch in anderer Weise von ihrer Tätigkeit profitieren. Dazu zählen beispielsweise die oben genannten Erfahrungen, die Freiwillige sammeln können, die Erweiterung des Netzwerks und positive Auswirkungen auf den Beruf. Zudem organisieren manche Vereine auch Weiterbildungen und Kurse, von denen ihre Mitglieder profitieren. Doch das Engagement hat noch viel weitreichendere Folgen: So werden Freiwillige seltener straffällig, geniessen ein höheres Prestige in ihrem Beruf, haben eine grössere Wahrscheinlichkeit zur politischen Partizipation, sind gesünder und leben länger (siehe auch Spektrum: Hilf anderen - das hilft dir selbst! und Wilson und Musick: The Effects of Volunteering on the Volunteer).
Auch die Discuss it-Mitglieder haben von ihrer Zeit im Verein in vielerlei Hinsicht profitieren können. Reto findet beispielsweise, dass er an den Podien eine Menge über Moderation und den Auftritt vor Publikum gelernt hat. Ausserdem sei durch den Verein auch sein soziales Umfeld gewachsen: «Ich habe während meiner Tätigkeit viele Leute kennengelernt, die heute gute Freunde und Freundinnen geworden sind – auch ausserhalb des Vereins.» Und auch Ann-Kathrin hat aus ihrer kurzen Zeit bei Discuss it schon einiges mitnehmen können: «Bei Discuss it habe ich gelernt, dass ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Vision Menschen auf eine unglaubliche Art und Weise verbinden kann. Gemeinsam schaffen wir Grosses – auch auf der politischen Ebene!»
Wie die Gesellschaft davon profitiert
Doch nicht nur die Menschen, die selber freiwillig tätig sind, profitieren von diesem unentgeltlichen Engagement – auch auf die Gesellschaft als Ganzes wirkt sich Freiwilligkeit positiv aus. Tocqueville hat den Begriff geprägt, dass Vereine sogenannte «Schulen der Demokratie» seien (Alexis de Tocqueville, * 1805, † 1859, war französischer Publizist und Politiker. Er hat sich mit dem politischen System der Vereinigten Staaten und dessen Anwendbarkeit auf Frankreich auseinandergesetzt und sein Buch «Über die Demokratie in Amerika» gehört bis heute zu den wichtigsten Werken der Demokratietheorie). Denn in den Vereinen lernen Menschen, ihre Interessen zu bündeln und an die Politik weiterzugeben, sich aktiv an der Demokratie zu beteiligen, Kompromisse auszuhandeln und mit unterschiedlichen Standpunkten umzugehen. Gerade auf direkte Demokratien wie die Schweiz haben Vereine also sehr positive Auswirkungen (Swissinfo: Der Verein als Schule der Schweizer Demokratie). Zudem sind in Regionen mit einem hohen Anteil Freiwilliger weniger Menschen arbeitslos, die Kriminalitätsraten sind niedriger, die Einwohner_innen sind gesünder, suchen seltener ihren Arzt oder ihre Ärztin auf und sind im Allgemeinen zufriedener mit ihren Leben (Markus Freitag: Das soziale Kapital der Schweiz).
Ausserdem profitiert die Gesellschaft direkt von den Produkten und Dienstleistungen, die die Freiwilligen unentgeltlich bereitstellen. Discuss it hat als Beispiel in diesem Jahr trotz Corona 60 Podien organisiert und so zur politischen Bildung von rund 4’000 Schüler_innen beigetragen. Ausserdem hat Discuss it mit 10 Digital- oder Online-Veranstaltungen rund 3’300 Views generieren können. Von dieser politischen Bildung der jungen Menschen profitiert langfristig die gesamte Schweizer Gesellschaft, wenn sich die kommenden Generationen politisch stärker beteiligen und mehr politische Verantwortung übernehmen. Freiwillig tätig zu sein, wirkt sich also positiv auf das eigene Leben aus und je mehr Menschen in einer Gesellschaft freiwillig tätig sind, desto besser geht es auch der Gesellschaft als Ganzes. Deshalb arbeiten wir von Discuss it auch im nächsten Jahr wieder fleissig daran, die politische Bildung von Jugendlichen in der Schweiz zu fördern!
Bis dahin wünscht Discuss it frohe Festtage und einen guten Rutsch!