Am 6. Juni 1971 durften die Schweizer Frauen erstmals auf nationaler Ebene abstimmen; doch der Weg zu diesem Schritt politischer Gleichberechtigung war ein langer. Discuss it hat für euch in 10 Zitaten zusammengefasst, was alles passiert ist, ehe das Frauenstimmrecht vor 50 Jahren in der Schweiz eingeführt wurde.
«Es wäre traurig und beschämend, wenn Jeder von den Männern des Volkes nur die vollste Freiheit für sich, nicht aber für Andere und am wenigsten für uns Frauen in Anspruch nähme.»
1868 fordern Frauen aus der Zürcher Bevölkerung in einer anonymen Bittschrift anlässlich der kantonalen Verfassungsrevision das Wahlrecht für die Frauen in allen politischen und sozialen Angelegenheiten. Ihrem Anliegen wurde in der Revision allerdings nicht nachgegeben.
«Der Bundesrat wird eingeladen, Bericht und Antrag einzubringen über die verfassungsmässige Verleihung des gleichen Stimmrechts und der gleichen Wählbarkeit an die Schweizerbürgerinnen wie an die Schweizerbürger.» Motion von H. Greulich vom 4. Dezember 1918
Während 1918 die deutschen Frauen bereits die politischen Rechte erlangten, wurden im Nationalrat im selben Jahr zwei Motionen eingereicht, die das Frauenstimmrecht einforderten – die eine stammte von Hermann Greulich (SP), die andere von Emil Göttisheim (FDP). Auf beide wurde vom Bundesrat allerdings nicht weiter eingegangen.
«Als Hausfrau und Hüterin der Familie hat die Frau ein vielfaches Interesse an der Einführung des Frauenstimmrechts, denn ihre Stellung innerhalb der Familie ist trotz des guten Zivilgesetzes noch lange nicht das, was sie sein sollte.» Anna Schaub-Wackernagel
Der 1909 gegründete Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) reichte 1929 mit knapp 250'000 Unterschriften die «Petition für das Frauenstimmrecht» ein. Das Zitat stammt aus der Umfrage «Was erhoffen wir Frauen vom Frauenstimmrecht?», die kurz vor Abschluss der Unterschriftensammlung für die Petition durchgeführt wurde. Der politische Vorstoss blieb allerdings erfolglos.
«Die Vorlage missachtet mit der blossen Kopierung ausländischer Wahlrechtsverhältnisse die Besonderheiten unserer direkten Referendumsdemokratie, in welcher der Stimmbürger nicht nur wählt, sondern dauernd über oft recht schwierige Sachfragen entscheiden muss.» Zitat vom Schweizerische Aktionskomitee gegen die Verfassungsvorlage über die Einführung des Frauenstimmrechts im Bund
Im Februar 1959 wurde erstmals eine Volksabstimmung über das Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene durchgeführt. Die Vorlage wurde mit 66.9% Nein-Anteil von den Schweizer Männern abgelehnt.
«Die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf erst unterzeichnet werden, wenn bezüglich des Stimm- und Wahlrechts kein Vorbehalt mehr nötig ist. Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage.» Emilie Lieberherr, 1969
1968 beschliesst der Bundesrat, die Europäische Menschenrechtskonvention zu unterzeichnen. Allerdings ohne die Frauen den Männern politisch gleichzustellen. Im Marsch auf Bern protestieren 1969 auf dem Bundesplatz rund 5000 Menschen für das Frauenstimmrecht.
«7. Februar 1971: DANKE für die Rosen!»
So lautete die Blick-Schlagzeile nach Einführung des Frauenstimmrechts am 7. Februar 1971. Der Bundesbeschluss wurde von den Schweizern mit 65.7 Prozent angenommen. Am 6. Juni durften die Schweizerinnen dann zum ersten Mal auf nationaler Ebene mitbestimmen.
«Madame Girardin, es fällt mir die hohe Ehre zu, Sie als erste schweizerische Ständerätin in unserer Mitte herzlich willkommen zu heissen, und ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Kollegen in der kleinen Kammer Sie stets als gleichwertige Partnerin respektieren werden.» Arno Theus
Nachdem die Schweizer Frauen im Juni 1971 zum ersten Mal abstimmen durften, wurden im Herbst 1971 auch die ersten Frauen ins Parlament gewählt: zehn Frauen in den Nationalrat und eine, Lise Girardin, in den Ständerat. Sie wurde mit obigen Worten durch Ständeratspräsident Arno Theus begrüsst.
«Du musst es in jeder Beziehung so gut machen, dass keiner mehr sagen kann, Frauen könnten das nicht.» Elisabeth Kopp
Obschon die Schweizerinnen seit 1971 politisch gleichberechtigt sind, dauerte es weitere 13 Jahre, ehe die erste Frau in den Bundesrat gewählt wurde. Nachdem die Wahl von SP-Politikerin Lilian Uchtenhagen 1983 durch die bürgerliche Mehrheit der Bundesversammlung verhindert worden war, wurde Elisabeth Kopp (FDP) ein Jahr später schliesslich zur ersten Bundesrätin gewählt.
«Die Weiber sollen zu Hause kochen statt abstimmen.» Zitat einer Appenzell-Innerrhodnerin von 1982
Während die Schweizerinnen auf nationaler Ebene schon fast 20 Jahre an der Politik teilhaben durften, hatten die Frauen im Kanton Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton bis 1990 keine politischen Mitbestimmungsrechte auf kantonaler Ebene. Nachdem das männliche Stimmvolk des Kantons Appenzell Innerrhoden im April 1990 die Einführung des Frauenstimmrechts erneut deutlich ablehnte, gingen einen Monat später zwei Strafrechtliche Beschwerden von Mario Sonderegger und Ursula Baumann beim Schweizer Bundesgericht ein. Das Gericht hiess die Beschwerden am 27. November 1990 gut und der Kanton Appenzell Innerrhoden führte als letzter das Frauenstimm- und -wahlrecht auf kantonaler Ebene ein.
«’Es scheint immer unmöglich, bis es geschafft ist’ - Nelson Mandela. Genau das ist der springende Punkt. Auch wenn es unmöglich scheint, sollten wir uns weiterhin für einen 50:50 Frauenanteil im nationalen Parlament engagieren und somit unsere Vorkämpfer*innen mit dem 50 Jahre Frauenstimmrecht-Jubiläum im Kanton Zürich und schweizweit 2020/2021 würdigen.» Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung des Kanton Zürichs
Auch wenn die Schweizer Frauen auf nationaler Ebene seit 50 Jahren gleichberechtigt sind, sind sie politisch noch immer in der Unterzahl. Bei den letzten Parlamentswahlen wurden in einem Rekordhoch 42 Prozent der Sitze im Nationalrat durch Frauen besetzt. Im Ständerat sind es lediglich 26 Prozent. In den Kantonen sind diese Zahlen teilweise gar noch tiefer - wenn auch bei den Kantonsratswahlen in Neuenburg 2021 zum allerersten Mal mehr Frauen in ein Schweizer Kantonsparlament gewählt wurden als Männer. Im Schweizer Schnitt sind jedoch nur 32% aller Kantonsparlamentarier:innen Frauen. Während die politische Gleichberechtigung also seit einem halben Jahrhundert erreicht ist, ist die politische Gleichstellung bis heute immer noch nicht vollends erreicht. Mehr dazu, ob diese politische Untervertretung der Frauen problematisch ist, findest du auch in diesem Blogartikel.
Was denkt ihr, wie die Schweiz in weiteren 50 Jahren aussieht? Gibt es bis dahin gleich viele Ständerätinnen wie Ständeräte? Oder sogar mehr? Welche anderen Gruppen könnten politische Mitbestimmungsrechte erhalten? Schreibt es uns in die Kommentare!