Liegt dein Abstimmungscouvert noch auf dem Pult? Hoffentlich nicht mehr lange – denn am 13. Juni stimmt die Schweiz erneut über die unterschiedlichsten nationalen Initiativen und Gesetze ab. Eine der Vorlagen dreht sich dabei um ein neues Gesetz, welches polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (kurz PMT) ermöglichen soll. Damit könne man laut den Befürwortenden durch die notwendige Prävention beispielsweise terroristische Attentate früh genug verhindern. Gegner:innen der Initiative befürchten jedoch, dass durch ungenaue Definitionen die Grundlage für Willkür gelegt werden würde. Discuss it hat sich in einem digitalen Podium mit Befürworterin Maja Riniker, Nationalrätin FDP Aargau, und Gegner Benjamin Gautschi, Vorstandsmitglied GLP Zürich, über das Gesetz unterhalten.
Seit den Terror-Angriffen in Paris im Jahre 2015 ist die Bekämpfung von Terrorismus ein immer wiederkehrendes Thema in der Politik und den Medien europäischer Länder. Schweizer Bürger:innen wurden glücklicherweise weitgehend von grösseren terroristischen Anschlägen verschont. Nichtsdestotrotz bleibe die Gefahr und Bedrohung, so verlautete dies der Nachrichtendienst des Bundes, hoch. Deshalb hat der Bundesrat gemeinsam mit dem Parlament das Gesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus verabschiedet. Da gegen dieses erfolgreich das Referendum ergriffen wurde, kommt das Gesetz nun am Sonntag, den 13. Juni vor das Schweizer Stimmvolk.
Im Grundsatz soll das neue Gesetz die Schweizer Bevölkerung besser vor Terror-Angriffen schützen. Das Ziel ist, mit präventiven Massnahmen Terrorismus zu verhindern. Dabei könnten Personen, von welchen eine konkrete Gefahr ausgehe, stärker überwacht und eingeschränkt werden. So würde das Gesetz der Polizei die Macht geben, gewisse Massnahmen präventiv zu ergreifen – also dann, wenn bereits der Verdacht auf eine Gefahr besteht. Diese Massnahmen sind beispielsweise ein Kontaktverbot zu kriminellen Gruppen, ein Ausreiseverbot oder im schlimmsten Fall sogar ein Hausarrest (dieser müsste jedoch von einem Gericht bewilligt werden).
Laut den Gegner:innen fördere dieses Gesetz jedoch willkürliche Entscheidungen, welche die Grundrechte von Menschen einschränken. Durch unzureichende und schwammige Definitionen – insbesondere diejenige des sogenannten terroristischen Gefährders – würde ermöglicht, dass auch Personen bestraft werden könnten, welche politischen Aktivitäten nachgehen, die der Regierung missfallen würden. Die Polizei, welche die Massnahmen nicht nur durchführen, sondern auch anordnen würde, hätte damit gemäss den Gegner:innen freie Hand, auch unschuldige Schweizer Bürger:innen zu bestrafen.
Discuss it hat sowohl von den Befürwortenden als auch von den Gegner:innen eine Stimme zum digitalen Podium eingeladen, um zu hören, wie sich die Argumente gegeneinander durchsetzen. Als Befürworterin nahm die FDP Aargau Nationalrätin Maja Riniker an der Diskussion teil. Die Contra-Position wurde von Benjamin Gautschi, Vorstandsmitglied der GLP Zürich vertreten. Das ganze Video zur spannenden Diskussion findest du ganz oben in diesem Blogpost.
«Unglaubliche Gefahr von Willkür»
Laut Benjamin Gautschi ist klar, dass das Gesetz so nicht zustande kommen darf. Die Definitionen im Gesetz würden dazu führen, dass sogar Politiker:innen wie er selbst und seine Gesprächspartnerin Maja Riniker in den Fokus dieses Gesetzes kommen könnten. Denn: Personen, welche die staatliche Ordnung beeinflussen oder verändern wollen würden, würden direkt unter das neue PMT-Gesetz fallen. Aufgrund einem ähnlichen Gesetz seien laut Gautschi in Frankreich beispielsweise Klimaaktivisten in den Hausarrest versetzt worden.
Die Definitionen im Gesetz seien jedoch laut Maja Riniker direkt aus dem Nachrichtendienstgesetz übernommen worden – und dieses sei schliesslich vom Schweizer Stimmvolk im Jahre 2016 angenommen worden. Auf das Beispiel in Frankreich angesprochen, erwidert die FDP Nationalrätin Riniker, dass es wichtig sei, hier zu erklären, dass eine Person nur in den Hausarrest versetzt werden würde, wenn ein Gericht dies bewilligt. Dies sei also die letzte und grösste Massnahme.
«Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist»
Das neue PMT Gesetz würde gemäss Maja Riniker vorhandene Lücken schliessen, um die Bevölkerung vor Terrorismus zu schützen. Stand heute bestehe lediglich das Nachrichtendienstgesetz, welches aufzeigt, welche Personen die Schweiz gefährden könnten. Das wären momentan laut Riniker rund 60 Personen. Hinzu komme das Strafrecht, welches erst dann aktiv werde, wenn eine Tat begangen würde. Dazwischen sei jedoch eine grosse Lücke, welche mit diesen präventiven Massnahmen geschlossen werden würde.
Diese sogenannte Gesetzeslücke, welche von der Befürworterin im Discuss it Digital-Podium genannt wurde, gebe es laut Benjamin Gautschi jedoch gar nicht. Das Strafrecht könne nämlich auch heute schon angewendet werden, wenn beispielsweise eine Person Teil einer kriminellen Organisation werde, wenn man Terrorismus finanziere, wenn man Vorbereitungshandlungen trifft oder ähnliches. Damit bestehe also bereits die Möglichkeit, präventiv und vor dem Begehen einer tatsächlichen Straftat einzuschreiten.
Kann denn Terrorismus vollkommen verhindert werden?
Bei diesem Punkt stimmen die beiden Gesprächsteilnhemenden Gautschi und Riniker überein: Nein. Eine vollkommene und hundertprozentige Sicherheit sei niemals möglich – die Sicherheit könne zwar erhöht werden, eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Für Gegner Benjamin Gautschi sind diese präventiven Massnahmen jedoch nicht der richtige Weg zu mehr Sicherheit. Die Möglichkeiten, die Massnahmen auf einer willkürlichen Basis auszuführen, verletze Personen massgeblich in ihrer Freiheit und ihren Grundrechten. Es müsse einem bewusst sein, dass diese polizeilichen Massnahmen ergriffen werden könnten, obwohl man gar keine Straftat begangen habe.
Maja Riniker wiederum bezieht sich auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die Massnahmen würden wenn überhaupt verhältnismässig eingesetzt werden. Ausserdem seien alle Massnahmen zeitlich beschränkt und können auch angefochten werden. Es gehe hier ausserdem wirklich um die Personen, welche ‘auf dem Radar’ seien und von welchen eine reale Gefahr ausgehen würde. Dies beinhalte, so Riniker, keineswegs politische Aktivisten. Das Wichtigste sei, die Schweizer Bevölkerung vor terroristischen Angriffen zu schützen, und dieser Schutz würde mit dem neuen Gesetz verbessert werden.
Willkür oder Schutz vor echten Gefahren
Wie sich das Schweizer Stimmvolk entscheiden wird, erfahren wir am 13. Juni. Die Argumente beider Seiten halfen hoffentlich auch dir, deine Meinung zu bilden. Falls ja, und falls dein Abstimmungscouvert tatsächlich noch auf deinem Pult liegt, ist nun der Moment, dieses gemäss deiner Meinung auszufüllen.
Und nicht vergessen: Mach doch ein Selfie, Video oder Boomerang von dir, wenn du dein Abstimmungscouvert einwirfst! Schicke es an uns entweder via Instagram, Facebook oder an info@discussit.ch mit dem Betreff Abstimmungs-Challenge 2021, um am Discuss it Gewinnspiel teilzunehmen. Möge der oder die Kreativste gewinnen!
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