5. November 2020

Welchen Anteil soll die Schweiz an Kriegsgeschäften haben?

Sowohl die Finanzierung als auch die Produktion und der Handel von verschiedenstem Kriegsmaterial ist in der Schweiz relativ streng geregelt und in spezifischen Fällen – wie beispielsweise bei geächteten Kriegswaffen – sogar gesetzlich verboten. Die Volksinitiative zu den Kriegsgeschäften, über welche das Schweizer Stimmvolk Ende November entscheidet, hat nun zum Ziel, diese Regulierungen weiter zu verschärfen. Denn gewisse Schweizer Institutionen können Unternehmen im Kriegsmaterialmarkt trotz aller gesetzlichen Einschränkungen durch beispielsweise Aktienfonds finanzieren. Discuss it gibt Einblick in die aktuelle Lage und die Argumente für und gegen diese moralisch-ethisch geprägte Volksinitiative.



Die Schweiz, welche oftmals für Neutralität steht, und Kriegsgeschäfte? Das passt so für viele nicht ganz zusammen. Nichtsdestotrotz ist auch die Schweiz – so wie etliche andere Länder – bis zu einem gewissen Grade auch in diesen Markt involviert. Obschon wir in der Schweiz starke Regulierungen und Verbote kennen, können Institutionen heute Kriegsmaterialproduzenten finanzieren.

Gerade die Schweizer Nationalbank, Pensionskassen, und die AHV/IV investieren heute viel Geld in Unternehmen wie Ruag oder Rayethon, welche (teilweise) Kriegsmaterial herstellen. Solche Investitionen gelten bei den Akteuren des Finanzplatzes als beliebte Anlageziele und tragen somit auch zum Teil zur finanziellen Absicherung der Schweizerischen Altersvorsorge bei. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass Schweizer_innen über beispielsweise ihre Pensionskassen oder die AHV die Herstellung von Kriegsmaterial auf der ganzen Welt mitfinanzieren.

Kann und will man dies verantworten? Die Jungen Grünen und die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) haben deshalb die Kriegsgeschäfte-Initiative lanciert, welche genau diese Finanzierungen verbieten will. Am 29. November entscheidet das Schweizer Stimmvolk darüber. Bei einer Annahme der Initiative dürften Schweizer Institutionen nicht mehr in Unternehmen investieren (z.B. durch Aktien, Kredite oder Schenkungen), welche mit Kriegsmaterial mehr als 5% ihres Jahresumsatzes erwirtschaften.

Wird dadurch ein erster Schritt in Richtung friedlichere Welt getan? Die Initianten fordern nämlich ausserdem, dass sich der Bundesrat bei Banken und Versicherungen auf nationaler und allgemein auf globaler Ebene für ähnliche Finanzierungsverbote einsetzt. Doch ist dies überhaupt realistisch? Und gefährden wir durch ein solches Verbot unsere Altersvorsorge?

«Kein Schweizer Geld für die Kriege dieser Welt»

Für die Initiant_innen der Kriegsgeschäfte-Initiative ist eine Rechnung klar: Je weniger Geld in das Geschäft mit Waffen fliesst, desto weniger Waffen werden produziert. Durch ein verschärftes Finanzierungsverbot in der Schweiz kann somit diese Industrie zu einem Teil geschwächt werden. Weniger Menschen müssten unter Waffen und Kriegsmaterial leiden und die Schweiz würde ihren Beitrag zu einer friedlicheren Welt leisten.

Durch diesen Beitrag würde man zusätzlich auch Fluchtursachen bekämpfen. Das Flüchtlingsthema beschäftigt nun seit geraumer Zeit nicht nur die Schweiz, sondern auch andere Länder der ganzen Welt. Ein grosser Teil dieser Menschen müssen aus ihrem Heimatland wegen Kriegen und Konflikten flüchten. Durch den Finanzierungs-Stopp derjenigen Firmen, die Kriegsmaterial produzieren, könnten solche Kriege und Konflikte eingedämmt werden.

Anders als gedacht werden könnte, sei die Initiative ausserdem wirtschaftlich sinnvoll für Schweizer Institutionen. Denn: Der Kriegsmaterialmarkt sei zwar momentan verlockend, doch nachhaltigere Anlagemöglichkeiten könnten vor allem langfristig gewinnbringend sein.

Ein weiteres Argument der Initiant_innen trifft ein sehr aktuelles Thema: den Klimaschutz. Durch Kriege und Armeen würden weltweit klimaschädliche Emissionen erzeugt werden. Das Geld, welches heutzutage also in Kriege investiert würde, sollte somit eher zugunsten des Klimas in den Umweltschutz geleitet werden.

«Die Initiative verfehlt die Wirkung im Ziel»

Auch wenn der Hintergedanke der Initiative auf Verständnis bei der Gegenseite stösst, spricht laut dem Komitee gegen GSoA-Initiative einiges gegen die Vorlage: So meint Maja Riniker, dass das Verbot nicht zu einer friedlicheren Welt, sondern zu Unruhe in der Schweiz führe. Ein Punkt scheint dem Gegenkomitee der Kriegsgeschäfte-Initiative dabei besonders ein Dorn im Auge zu sein: die Unabhängigkeit der Schweizer Nationalbank. Diese Unabhängigkeit ist in der Verfassung verankert. Durch die Annahme der Initiative würde man die Bank einschränken und somit, gemäss Riniker, gegen dieses Recht handeln.

Viele Banken und Pensionskassen haben zusätzlich bereits, im Sinne der Selbst-Regulierung, Abstand genommen von Investitionen in Player des Kriegsmaterialmarktes. Dies zeige demnach, dass Institutionen nach Alternativen suchen und Freiwilligkeit somit ausreiche, um in moralisch-ethischem Sinne zu handeln. 

Vom Verbot der Finanzierung von Firmen, die mehr als 5% ihres Jahresumsatzes mit Kriegsmaterialien verdienen, wären laut Riniker weit über 3’000 Schweizer Unternehmen betroffen. Dies bedeutet, dass Unternehmen, welche zivile Produkte herstellen, jedoch beispielsweise Einzelteile produzieren, die für Kriegsmaterial weiterverwendet werden, ebenfalls betroffen wären. Wie viele der KMUs ein solches Finanzierungsverbot überleben würden, bleibe fraglich.

Neben dem grundsätzlichen Überleben dieser Unternehmen wären laut Riniker auch Arbeitsplätze gefährdet. Durch das fehlende Kapital könnten diese nach ihr nicht mehr gesichert werden, und auch Innovationen würden zurückbleiben.

Nicht nur ein klassisches links-rechts Thema, sondern auch ein Gendergap

Eine erste SRG-Trendumfrage, welche durch das Institut gfs.bern durchgeführt wurde, zeigt, dass im Vornherein eine knappe Mehrheit beabsichtigt, für die Initiative abzustimmen.

Die Parteibindung der Befragten lässt erkennen, dass die Initiative scheinbar einem klassischen links-rechts Schema folgt. Während die Anhänger_innen linker Parteien – wie der SP und der Grünen Partei – die Initiative befürworten, sprechen sich Unterstützer_innen der rechten Seite – wie der FDP und der SVP – eher dagegen aus. Die Wähler_innen der Mitte-Parteien wie GLP und CVP zeigen sich momentan am ehesten gespalten.

Interessant wird es bei einem Blick auf die Zustimmungsraten der Geschlechter. Frauen wollen die Initiative eher annehmen (63%), Männer hingegen lehnen sie eher ab (52%). Armee und Militär scheinen Themen zu sein, welche einen Graben zwischen den Geschlechtern hervorrufen. Wieso jedoch dieser Graben entsteht, lässt sich endgültig nicht sagen. Allerdings konnte diese Tendenz auch schon bei anderen Initiativen – wie beispielsweise der Initiative zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, über welche im September dieses Jahres abgestimmt wurde – schon festgestellt werden. Spannend wird es zu sehen, ob diese Unterschiede sich in den Resultaten der Abstimmung widerspiegeln werden.

Die Kriegsgeschäfte-Initiative steht im Schatten der zweiten Initiative

Nicht jeder Initiative wird jeweils die gleiche mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Im Falle der kommenden Abstimmungen Ende November, lässt sich klar erkennen, dass die Konzernverantwortungsinitiative (kurz KOVI oder KVI) stärker diskutiert wird. Gerade deshalb ist es wichtig, sich nichtsdestotrotz über alle Initiativen zu informieren.

Der Discuss it-Blog bringt dir bereits einen ersten Einblick. Es lohnt sich jedoch, sich mit Hilfe weiterer Quellen über die Initiative zu informieren, damit auch du am 29. November eine fundierte Entscheidung treffen kannst.

Und übrigens: Nächste Woche findest du hier auf unserem Blog mehr Informationen zur Konzernverantwortungsinitiative. Folge uns doch auf Instagram und Facebook damit du den Blogpost sicher nicht verpasst.

Alle Aussagen der in diesem Artikel vorkommenden Personen findest du im Video über diesem Beitrag.

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