Nur fünf Tage nach dem Launch hatte sie schon rund 916’000 aktive Nutzer: die SwissCovid App. Die neue Tracing-App des Bundes soll Infektionsketten mit dem Coronavirus bestenfalls früher stoppen und so die Verbreitung eindämmen. Lange mussten wir warten, bis die App online war. Seit rund einer Woche ist es soweit. Grund für die lange Wartezeit war vor allem auch die Gesetzesänderung des Epidemiengesetzes. Nun ist sie da. Glücklich sind aber trotzdem nicht alle. Die Diskussionen im Netz laufen. Ist die App sicher? Nützt sie denn auch überhaupt etwas? Soll man die App wirklich herunterladen? Bei so vielen Einwänden und Meinungen ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Discuss it hat für dich in diesem Blog die wichtigsten Punkte zusammengetragen.
Seit knapp einer Woche ist die SwissCovid App verfügbar. Die App soll dabei helfen, das Coronavirus einzudämmen und die Nachverfolgung von Neuinfektionen zu erleichtern. Dabei werden Nutzer_innen automatisch benachrichtigt, wenn sie sich in der Nähe von Menschen aufhielten, welche sich mit dem Virus identifiziert haben. Dies geschieht jedoch nur, wenn letztere die App ebenfalls installiert haben.
Die Lancierung der App hat – wie erwähnt – eher lange gedauert. Einige Kritiker meinen deshalb, jetzt sei deren Nutzung schon zu spät. Neben der Entwicklungsdauer von SwissCovid, hielt vor allem die fehlende rechtliche Grundlage den Launch auf. So musste das Parlament – also der Stände- und Nationalrat – die App und die damit zusammenhängenden Änderungen des Epidemiengesetzes erst gutheissen. Am 19. Juni gab das Parlament schliesslich grünes Licht.
Der Bundesrat und weitere Akteure wie das BAG empfehlen dem Volk, die App herunterzuladen und zu aktivieren. Nun gibt es aber einige kritische Stimmen im Netz, welche vor allem bezüglich des Datenschutzes ihre Zweifel bekunden.
Wir haben uns deshalb gefragt: Wie funktioniert denn die App überhaupt? Muss man sich wirklich Sorgen um die persönlichen Daten machen?
SwissCovid App – so funktioniert‘s
Die Corona-Tracing-App arbeitet nicht – wie man vielleicht annehmen könnte – mit GPS Daten, sondern mit Bluetooth. Dabei werden vom Smartphone aus verschlüsselte ID’s gesendet. Diese bestehen aus zufälligen Zahlenketten. Befindet sich nun ein anderer Nutzer in der Nähe, so empfängt die App diese Zahlenketten des jeweils anderen.
Während solcher Begegnungen ist vor allem enger Kontakt ausschlaggebend. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) definiert diesen mit zwei Bedingungen: Die Personen kommen sich näher als 1,5 Meter und befinden sich (an einem Tag) länger als 15 Minuten in dieser Distanz. Dann besteht nämlich die Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, wie erste Forschungen herausfanden. Registriert die App solche engen Kontakte, speichert sie diese für zwei Wochen.
Im Falle einer Ansteckung, bekommt die betroffene Person einen Code, welchen sie in der App eingeben kann (und sollte). Dadurch werden automatisch alle Personen, welche sich bis zu zwei Tage vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen in engem Kontakt mit dem Träger oder der Trägerin aufhielten, benachrichtigt. Diese Meldungen bleiben auf jeden Fall anonym – Orte oder Namen werden dementsprechend nicht erfasst. Lediglich das Datum einer möglichen Infektion wird angegeben.
Erhält man die Meldung einer möglichen Ansteckung, so sollte man sich aus Fairness und zum Schutze anderer dann so schnell wie möglich auf das Coronavirus testen lassen, sowie den Kontakt zu anderen Menschen meiden, bis man ein Ergebnis hat. Personen, welche diese Warnung vom SwissCovid App erhalten, können sich seit letztem Donnerstag (25. Juni 2020) testen lassen, ohne Selbstkosten zu tragen. Denn die Kosten für die Tests übernimmt der Bund. Damit sollen zumindest die finanziellen Hürden für einen Test gesenkt werden.
Trotzdem ist niemand dazu verpflichtet, die App herunterzuladen, eine Ansteckung anzugeben, oder aufgrund einer möglichen Ansteckung zu Hause zu bleiben. Und da keine persönlichen Daten – wie beispielsweise Namen, Aufenthaltsort, Handynummer oder ähnliches – erfasst werden, kann auch nicht nachverfolgt werden, was eine möglicherweise infizierte Person unternimmt.
Der Bundesrat setzt auf die Solidarität aller Einwohner_innen. Es gibt jedoch einige, welche der App kritisch gegenüber stehen. Die Diskussionen im Netz sind erhitzt.
«SwissCovid App installiert und anders als bei Tinder auf 0 Matches hoffen»
Das schreibt eine Twitter-Nutzerin in Bezug auf die App. In den Diskussionen stehen zumeist der Datenschutz, die Bedingungen für das Downloaden der App und die Zuverlässigkeit von SwissCovid in der Kritik.
Bei einer Tracing-App liegen die Bedenken bezüglich Datenschutz grundsätzlich nahe. Wie viele Informationen werden erfasst, gespeichert und weiterverwendet? Die Angaben des Bundes sind klar: Die Daten, welche von der SwissCovid App erfasst werden, werden einzig und allein auf dem eigenen Smartphone der Nutzer_innen gespeichert. Nach jeweils zwei Wochen werden diese aber wieder gelöscht. Die App arbeitet ausserdem – wie oben bereits erwähnt – ausschliesslich mit abstrakten Codes.
Da also die Daten nie zentral gespeichert werden, kann die App sogar als sicherer als viele andere alltäglich genutzte Apps wie z.B. Whatsapp bezeichnet werden. Denn durch die dezentrale Speicherung der Daten auf den privaten Smartphones (und dementsprechend nicht irgendwo auf einem Server) kann zu keinem Zeitpunkt die Fülle an Daten aller Nutzer_innen eingesehen und schlimmstenfalls weiterverwendet werden. So sind anonymisierte Daten lokal auf tausenden von Handys gespeichert, was es praktisch unmöglich macht, die Daten zu einem vollständigen Bild zusammenzutragen.
Ein zweiter Punkt, welcher häufig angesprochen wurde, ist die Grundvoraussetzung um die App überhaupt herunterzuladen. So muss das Smartphone entweder mindestens auf der Software iOS 13.5 (Apple), oder auf der Version 6 (Android) des Betriebssystems laufen. Dies schliesst laut Schätzungen etwa 20 Prozent der Mobiltelefon-Nutzer aus. Hier mussten sich die Ersteller der App den Bestimmungen von Apple und Google fügen. Dieser negative Faktor kann dementsprechend nicht umgangen werden.
Zu guter Letzt wird auch die Zuverlässigkeit und Sinnhaftigkeit der SwissCovid App kritisiert. So nimmt die App – wie erwähnt – enge Kontakte wahr und speichert diese, kann jedoch nicht mit absoluter Gewissheit feststellen, ob eine Ansteckung überhaupt möglich war, oder nicht. Als Beispiel: In Restaurants und Cafés gibt es vermehrt Trenn- oder Plexiglas-Wände, um die Kunden zu schützen. Nutzer_innen der App können sich somit auf längere Zeit in naher Distanz zueinander aufhalten, ohne Gefahr zu laufen, sich gegenseitig anzustecken. Die App würde in so einem Fall – bei einer Coronavirus-Erkrankung einer Person – trotzdem eine Warnmeldung an die andere Person herausschicken.
Werden dabei z.B. Faktoren wie die vereinfachte Übertragung in geschlossenen oder mit Klimaanlagen ausgestatteten Räumen ausgelassen, kann dies durchaus als valider Kritikpunkt erachtet werden. Nichtsdestotrotz würde ein fundierteres Warnsystem mehr Daten erfordern und somit die Privatsphäre sowie den Datenschutz missachten. Ausserdem bleibt auch hier anzumerken: lieber ein Test zu viel, als einer zu wenig.
Somit wird klar, dass die App ein geeignetes Hilfsmittel in der Tracing-Strategie sein könnte und Infektionsketten zukünftig möglicherweise unterbrechen kann. Doch wieso kommt die App erst jetzt? Jetzt wo die Fallzahlen tief sind? Hätte man sie nicht schon viel eher gebraucht?
Die Entwickler der App begannen ihre Arbeit im März. Der Hauptgrund für die lange Wartezeit findet sich hierbei in der Politik und in der Rechtslage.
Die politische und rechtliche Grundlage
Um die SwissCovid App lancieren zu können, wurde das Epidemiengesetz angepasst und damit die gesetzliche Grundlage zur Lancierung der App geschaffen. Das Epidemiengesetz (EpG) ist das Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen. Die Änderungen regeln sämtliche organisatorischen Fragen, und legen fest, wie die Daten gehandhabt werden.
Da das SwissCovid App möglichst rasch lanciert werden musste, sollten auch die gesetzlichen Grundlagen dazu schnell geschaffen werden. Wenn ein Gesetz schnell in Kraft treten muss, gibt es zwei Wege: Entweder der Bundesrat erlässt (unter den entsprechenden Voraussetzungen) Notrecht oder er wählt den Weg der Gesetzgebung bei Dringlichkeit.
Im Falle der SwissCovid App kam die Gesetzgebung bei Dringlichkeit zur Anwendung, da der Bundesrat vom Parlament mit zwei Motionen zu dieser Vorgehensweise aufgefordert wurde.
Der Bundesrat entwarf also Gesetzesänderungen, welche er danach dem vom Volk gewählten Parlament (also dem Stände- und Nationalrat) vorlegen musste. Das Parlament nahm die Änderungen an. Im Gegensatz zur normalen Gesetzgebung traten die Änderungen jedoch nicht erst nach Abwarten der Referendumsfrist in Kraft, sondern per sofort. Damit wurde die gesetzliche Grundlage zur Lancierung der App geschaffen.
Der Entscheid, die SwissCovid App zu lancieren, wurde am 19. Juni 2020 gefällt. Die App wurde im Anschluss am 25. Juni öffentlich zugänglich gemacht.
Als dringlich erklärte Bundesgesetze sind zu befristen. Wird die Volksabstimmung zu einem dringlichen Bundesgesetz verlangt, so tritt es ein Jahr nach Annahme durch das Parlament ausser Kraft, wenn es nicht innerhalb dieser Frist auch vom Volk angenommen wird. Im vorliegenden Fall hielt der Bundesrat fest, den Betrieb der App einzustellen, sobald deren Einsatz zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie nicht mehr erforderlich ist.
Solidarität ist gefragt
Die SwissCovid App ist eine Lösung dafür, wie man das Contact-Tracing sicher und auf freiwilliger Basis verbessern kann.
In der Schweiz sind die Zahlen der Coronavirus Neuansteckungen auf einem eher tieferen, stabilen Level. Das wichtigste ist nun, erneute Ansteckungen zu verhindern. Dabei sind auf jeden Fall – ob mit oder ohne App – die Hygiene- und Verhaltensregeln des BAG zu beachten.
Die neue SwissCovid App kann weiter dazu beitragen, Infektionsketten zu unterbrechen und rechtzeitig zu stoppen. Dazu ist jedoch die Solidarität aller Einwohner_innen gefragt. Die App ist nutzlos, wenn sie von zu wenigen Smartphone-Usern aktiviert wird. Ausserdem ist es essentiell, bei möglichen Ansteckungen und bei positiven Tests angemessen zu handeln und das weite Umfeld zu informieren. So können auch Personen, die kein Smartphone besitzen, die App nicht herunterladen können oder nicht sehr sicher im Umgang mit Smartphones sind, geschützt werden. Denn schliesslich handelt man nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere.