Critical Mass ist als Begriff wohl vielen bekannt. Doch wo nahm die Bewegung ihren Anfang? Wie funktioniert diese Fahrradaktion? Gibt es Regeln, die zu beachten sind? Discuss it informiert.
Am letzten Freitag jedes Monats treffen sich weltweit in über 300 Städten Fahrradfahrer:innen und fahren als Schwarm durch ihre jeweilige Stadt. Der Tross führt, je nach Zahl der Teilnehmenden, zu grossen Unterbrüchen, Störungen und dadurch zu Verspätungen im Strassenverkehr. So wies die Stadtpolizei Zürich letzten Freitag via Twitter auf die anfallenden Wartezeiten hin:
Nicht bei allen kommt diese wiederkehrende Aktion gut an. Auf diesen Tweet der Stadtpolizei Zürich konnte man deshalb verschiedenste verärgerte Antworten lesen. Oft fiel gar das Wort «Veloterror». Doch seit wann gibt es diese Bewegung und worauf möchte die Critical Mass mit ihren Aktionen hinweisen?
Eine Bewegung schwappt über den Atlantik
Neu ist diese Form des gemeinschaftlichen Fahrradfahrens nicht. Denn bereits 1992 fand im US-amerikanischen San Francisco die erste Critical Mass statt. Die Idee und das Ziel dieser Bewegung wurden in die ganze Welt exportiert. So auch in die Schweiz. Zürich erfuhr 1997 ihre erste Critical Mass, die seither kontinuierlich wächst. Seit drei Jahren findet die Aktion in Zürich nun monatlich statt und hat in dieser Zeit massiv an Zulauf gewonnen. So ist es nicht mehr unüblich, wenn am letzten Freitag des Monats mehrere Tausend Fahrradfahrer:innen eine «kritische Masse» bilden und zusammen durch die Stadt ziehen. Doch was ist mit «kritische Masse» überhaupt gemeint?
Motorisiertem Verkehr auf Augenhöhe begegnen
Ein einzelnes Fahrrad ist im Strassenverkehr grossen Gefahren ausgesetzt, da es dem motorisierten Verkehr kräftemässig unterlegen ist. Sobald aber eine Vielzahl an Fahrrädern zusammenkommen und gemeinsam als «vielzelliger Organismus» agieren, könnten sie dem motorisierten Verkehr auf Augenhöhe begegnen und den öffentlichen Raum vorübergehend zurückerobern. So beschreibt es Critical Mass in Zürich auf ihrer Website. Die Funktionsweise der kritischen Masse ähnelt also dem Schwarmverhalten, wie es beispielsweise bei den Fischen beobachtbar ist. Das einzelne Individuum wird durch den Schwarm geschützt und durch die Grösse des Verbunds wahrgenommen.
Selbstregulierender Schwarm
Wer ist für diese monatlichen Aktionen verantwortlich? Wer plant die Ausfahrten? Auf der Website der Zürcher Critical Mass wird darauf hingewiesen, dass es keine einzelne:n Verantwortliche:n gibt, denn alle gemeinsam würden die Critical Mass bilden. Aus diesem Grund seien die Aktionen auch nicht als Demonstrationen anzusehen, sondern als spontanes Verkehrsaufkommen. Unterstützung erhält die Bewegung von all jenen, die sich für eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik einsetzen und mehr Sicherheit für die Velofahrer:innen fordern.
Dass die Critical Mass bisher keine Bewilligungen für die Durchführung ihrer Events eingeholt haben, gefällt nicht allen. Es stellt sich nämlich immer wieder die Frage, ob die Aktionsform nicht doch eine Demonstration darstelle und damit bewilligungspflichtig sei. Ausserdem wird an der Bewegung kritisiert, dass durch die Grösse des Trosses das Verkehrsnetz stark gestört wird und dadurch auch Rettungswege blockiert werden. So reichten beispielsweise der FDP Gemeinderat Andreas Egli und die FDP Gemeinderätin Yasmine Bourgeois im Juli 2020 eine schriftliche Anfrage an den Zürcher Stadtrat ein, in dem sie unter anderem eine Stellungnahme zum Vorwurf der strafrechtlichen Begünstigung verlangten. Der Stadtrat hielt fest, dass von Seiten der Critical Mass für ihre Aktionen keine Bewilligungsgesuche eingehen. Zudem toleriere die Stadtpolizei in Ausnahmefällen Demonstrationen ohne Bewilligungen, wenn deren Auflösung als «unverhältnismässig» eingestuft wird. Aus Sicht der Stadtpolizei Zürich, wäre die Critical Mass jedoch grundsätzlich bewilligungsfähig. Wer genau nachlesen möchte, wie sich der Stadtrat von Zürich zu den verschiedenen Fragen geäussert hat, kann dies im Protokoll vom 21. Oktober.
Kennt ihr die Regeln der Critical Mass?
Auf bevorstehende Veranstaltungen wird über Social Media, Plakaten oder Mund-zu-Mundpropaganda informiert. Auch wenn sich jedes einzelne Mal der Schwarm von neuem zusammensetzt, so kennt die Bewegung bestimmte Regeln. Auf der Website der Critical Mass Zürich heisst es, dass sich der Tross wie ein langes, zusammenhängendes Fahrzeug bewegen soll. Es dürfen also weder die Gegenfahrbahn noch Gehwege befahren werden. Eine zweite Regel lautet: Wenn der lange Fahrradzug vor einer roten Verkehrsampel steht, dann muss der ganze Zug anhalten. Wenn hingegen die Spitze des Trosses bei einer Grünphase die Verkehrsampel passiert, dann soll das «zusammenhängende Fahrzeug» auch bei einem allfälligen Wechsel auf Rot weiterfahren.
Wart ihr schon einmal an einer Critical Mass?
Was haltet ihr vom allmonatlichen Fahrradaufkommen in verschiedenen Schweizer Städten? Ist es eurer Meinung nach eine Demonstration oder doch bloss ein spontanes Verkehrsaufkommen? Welche Erfahrungen habt ihr mit der Critical Mass gemacht?
Lasst es uns wissen!