Wenn du in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt hast, hast auch du bestimmt Bilder aus Kuba gesehen: Strassen voller protestierender Menschen, kubanische Flaggen, anti-kommunistische Schilder und jede Menge Polizist:innen. Aber was ist überhaupt los in Kuba und wie ist es zu diesen Protesten gekommen? Discuss it beantwortet dir die vier wichtigsten Fragen zur Situation in Kuba.
1. Was passiert gerade in Kuba?
Mitte Juli haben im Karibikstaat Kuba die grössten Strassenproteste der letzten sechzig Jahre stattgefunden. Die kubanische Bevölkerung hat auf diese Weise ihre Unzufriedenheit mit der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation im sozialistischen Staat ausgedrückt. Kuba steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, die sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie massiv verschlimmert hat. Im Land fehlt es an Medikamenten, Lebensmitteln, Strom und – momentan besonders prekär – an Impfstoffen gegen das Coronavirus. Da sich die kubanische Bevölkerung in dieser schwierigen Zeit von ihrer Regierung im Stich gelassen fühlt, haben in den vergangenen Wochen Zehntausende ihre Unzufriedenheit mit der Mangelwirtschaft und der Unterdrückung kundgetan und sich für mehr Freiheit in Kuba ausgesprochen.
2. Wie kam es zu dieser Situation?
Im Jahr 1959 stürzte in der Kubanischen Revolution eine Widerstandsbewegung, angeführt unter anderem durch Fidel Castro, Raùl Castro und Che Guevara, den damals herrschenden kubanischen Diktator Batista, der seit 1952 an der Macht war. Ziel der Revolutionär:innen war es, eine sozialistische Gesellschaft und Wirtschaft aufzubauen. Kuba verstaatlichte im Zuge dieser Bewegung Landwirtschaft, Industrie und Vermögenswerte, darunter auch US-Vermögenswerte von rund einer Milliarde US-Dollar. Der damalige US-Präsident Eisenhower verhängte daraufhin Sanktionen gegen Kuba, die bis heute andauern. Im Laufe der Zeit gingen die Massnahmen teilweise soweit, dass die USA gar keinen Handel mehr mit Kuba betrieben und ein sogenanntes Wirtschaftsembargo aufrecht erhielten (lese hier, wie das US-Embargo entstanden ist). Während Barack Obama viele dieser Massnahmen aufhob und sich Kuba wieder annähern wollte, setzte Donald Trump Kuba zurück auf die US-Terrorliste und machte Obamas Lockerungen bei den Embargobestimmungen mehrheitlich wieder rückgängig.
Der Karibikstaat Kuba ist heute eine der letzten sozialistischen Volkswirtschaften und wird autoritär durch die Kommunistische Partei Kubas regiert. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 verlor Kuba viele seiner wichtigsten, ebenfalls sozialistischen Handelspartner und es kam zu einer Wirtschaftskrise, die (mit Unterbrüchen) bis heute andauert. Der Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 hat diese Wirtschaftskrise weiter verstärkt. Kubas wichtigste Einnahmequelle ist der Tourismus, der durch das Coronavirus und damit verbundene Grenzschliessungen stark eingebrochen ist. Trumps Sanktionen gegen Kuba und eine Währungsreform haben ebenfalls dazu beigetragen, dass im Land wichtige Güter wie Lebensmittel und Medikamente zur Mangelware geworden sind und nun zu so hohen Preisen verkauft werden, dass sich nicht mehr alle Menschen genügend Essen leisten können.
Auch politisch ist Kuba momentan in einer heiklen Phase: Bereits im Oktober 2019 hat der Bruder des verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro, Raùl Castro, die Präsidentschaft Kubas an Miguel Díaz-Canel übergegeben. Im April 2021 hat Castro nun auch noch den Parteivorsitz der Kommunistischen Partei Kubas abgegeben und sich gänzlich aus der Politik zurückgezogen. Damit ist erstmals seit 1959 kein «Castro» und somit auch keine führende Persönlichkeit der Kubanischen Revolution mehr an der Spitze Kubas. Der neue Präsident Díaz-Canel ist in der Bevölkerung eher unpopulär - was den Protesten weiter fruchtbaren Boden bereitet. Der Rückzug der Castros aus der aktiven Politik dürfte bei vielen Kubaner:innen zudem die Hoffnung auf Veränderung entfacht haben.
3. Wie reagiert die kubanische Regierung auf die Proteste?
Die Regierung Kubas hat auf die Proteste mit der Inhaftierung zahlreicher Demonstrant:innen und Hausarrest für Journalst:innen sowie Aktivist:innen reagiert. Die festgenommenen Kubaner:innen werden in Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilt, wobei sie ihr Recht auf Verteidigung nicht wahrnehmen können. Zudem ist es in den letzten Wochen immer wieder zu Zensuren beim Internetzugang gekommen. So waren soziale Medien wie Facebook, Instagram und auch YouTube, über die sich die Protestierenden ausgetauscht haben, in Kuba zeitweise gesperrt. In der offiziellen Presse gibt der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel allerdings nicht der Unzufriedenheit in der eigenen Bevölkerung die Schuld an den Protesten, sondern spricht von Verschwörungen im Ausland, an denen vor allem auch die USA beteiligt sein sollen. Die Protestierenden bezeichnet Díaz-Canel ausserdem pauschal als «Konterrevolutionäre», welche das Erbe der kubanischen Revolution einreissen wollen würden.
4. Was tun die anderen Länder?
Im internationalen Raum haben vor allem die USA auf die Situation in Kuba reagiert. Präsident Joe Biden hat neue Sanktionen gegen das Land verhängt, da das Recht der kubanischen Bevölkerung auf freie Meinungsäusserung und Versammlungen verletzt worden sei. Diese Sanktionen betreffen vor allem Regierungsvertreter:innen Kubas. So werden beispielsweise ihre Vermögenswerte in den USA gesperrt und US-Bürger:innen sowie -Unternehmen ist es verboten, Geschäfte mit der kubanischen Regierung zu betreiben.
Zudem ist es in verschiedenen Ländern ausserhalb Kubas zu Kundgebungen gekommen. In Florida, wo über eine Million Exilkubaner:innen leben, ist es zu Solidaritätsbekundungen mit den Protestierenden in Kuba gekommen und auch in Basel haben sich bei einer Kundgebung ungefähr 100 Personen mit den Kubaner:innen solidarisiert. Doch auch die Gegenseite geht auf die Strasse: So hat in Bern eine bewilligte Kundgebung der Regimebefürworter:innen stattgefunden. Sie halten das US-Handelsembargo für ungerechtfertigt und befürworten den kubanischen Sozialismus.
Fazit
Während es in Kuba in den letzten Wochen unbestritten zu grossen Unruhen gekommen ist, bleibt die Situation weiterhin schwierig einzuschätzen. Internetrestriktionen und die Zensur der Presse erschweren es, sich von aussen ein objektives Bild über die Situation in Kuba zu machen. So bleiben die Meinungen auch im internationalen Kontext gespalten. Unklar ist auch, ob die Regierung die Proteste bereits erfolgreich hat niederschlagen können oder ob sich die kubanische Bevölkerung in den kommenden Wochen nochmals auflehnen wird. Zu hoffen ist an dieser Stelle, dass die Lage grösstmöglich friedlich bleibt und es nicht zu schlimmen Bildern kommt – wie wir sie zuletzt beispielsweise in Myanmar sehen mussten, wo Demonstrierende von der Regierung in blutige und bürgerkriegsähnliche Gefechte verwickelt wurden.